Ich glaube gerade den Gedanken gefasst zu haben, der mich seit Monaten – eigentlich Jahren und unbewusst bestimmt über ein Jahrzehnt meiner bescheidenen Lebenszeit – begleitet. Mal sehen, ob ich ihn in Worte gefasst bekomme, mit denen ich am Ende zufrieden auf „Veröffentlichen“ klicken kann.
Mein letzter Beitrag – ich habe ihn nicht noch einmal gesehen, aber meiner Erinnerung und der Überschrift entsprechend – drehte sich um das Gefühl dieses Themas, das ich bis dahin nicht greifen konnte. Nicht konzeptionell anyways. Es ging um Sicherheit, was sie ist und was sie bedeutet und insbesondere, was der Wunsch nach ihr in meiner Interaktion mit Menschen mein alltägliches Leben und meine Wahrnehmung mit gestaltet. Es geht um einen tiefgreifendes Störgefühl, dass bei Komplimenten und Bestätigung aufflammt.
Hierbei gilt es bei beiden Begriffen für meinen Zweck zu differenzieren. Erstens ist nicht jedes Kompliment ein Kompliment. Ich würde es derart beschreiben: Es gibt Komplimente, die aus offenem und reinen Herzen eine Eigenschaft deinerseits komplimentieren, weil sie zum Beispiel inspirierend, beeindruckend oder für individuell, stark und würdig der Hervorhebung empfunden wird.
Denen gegenüber würde ich mindestens eine weitere Art Kompliment stellen, die eine Eigenschaft – ob beispielsweise Aussehen oder Charakter/Ausstrahlung oder Talent – von dir hervorheben und komplementieren, die sie selbst an sich vermissen, sich selbst für sich wünschen oder gar dich im Vergleich zu sich hervorheben und sich dadurch unterordnen. Sehnsucht oder Wünsche spielen hier hinein, aber auch Missgunst und Neid sind oft Auslöser für derartige vermeintliche Komplimente. Ich glaube, sowohl die empfangende, wie auch die abgebende Person können einen Unterschied in diesem Moment erkennen.
An dieser Stelle spreche ich von letzterem, welches oft ein tiefes Störempfinden bei mir hervorruft. Manchmal auch Frustration und manchmal auch Wut. Sie ist nicht gegen den Menschen gerichtet. Vielleicht eher gegen die Situation und auch gegen meinen eigenen Umgang damit. Denn authentisch in diesem Momenten zu reagieren fällt schwer. Verwirrung und die Wahrnehmung der Störung und der Unehrlichkeit, beziehungsweise des verschlackten Charakters des vermeintlichen Kompliments formulieren keine einfache Antwort, die den anderen Menschen nicht direkt kränkt. Es gibt gewiss elegante Umgänge mit diesen Momenten, ich habe meinen noch nicht gefunden.
Zur Präzisierung des zweiten Begriffs: Bestätigung. Ich kann nicht leugnen, dass mich Bestätigung in seinen vielen verschiedenen Formen gut empfinden lässt. Dass sie mich stärkt und mich formt und mein Selbstbild mit formuliert und prägt. Einen großen Teil meiner eigenen Wahrnehmung basiert gewiss auf der Reaktion von außen auf mich. Und das kann ins positive, wie ins negative zu verstehen sein. Diese bestimmte „Abhängigkeit“ des Eigenen durch das Außen ist ein sehr großes und weites Themenspektrum, welches ich nicht an dieser Stelle vertiefen möchte und kann. Ich will vielmehr auf einen spezifischen Moment hinweisen, der durchaus in Verbindung mit zuvor besprochenem Kompliment (und hierbei auch eine dritte Art formuliert) steht. Denn natürlich können diese auch bestätigen. Die ehrlichen, wie auch die vermeintlichen. Und derartige Bestätigungen von außen und die positive Reaktion im Inneren können – so vielleicht auf eine sozial-psychologische Ebene heruntergebrochen – Machtbeziehungen erzeugen. Mein Selbstwertgefühl kann sich beispielsweise abhängig machen von der Rückmeldung von Außen. Die positiven Gefühle können dafür sorgen, dass ich immer wieder ähnliche Situationen aufsuche, die mich derart fühlen ließen. Sie können dadurch eine Art Abhängigkeit erzeugen – auch hier befinden wir uns auf einer breiten Ebene, die in seiner Facettenhaftigkeit und Tiefe an dieser Stelle nicht gegriffen werden kann.
Aus meiner eigenen Wahrnehmung verfalle ich in derartige Strudel, wenn ich – oft insbesondere vom anderen Geschlecht – für mein Aussehen oder meine Ausstrahlung komplimentiert werde. Hier gibt es ehrliche Momente, die mich gut fühlen lassen, ohne das Gefühl zu haben dem anderen Menschen etwas zu schulden. Ich bin dankbar für positive Rückmeldungen und Äußerungen mir gegenüber, wenn sie sich nicht mit Machtkonstrukten überlappen. Und es gibt Momente, in denen ich das Gefühl habe, einen Beigeschmack wie Gier oder Anspruch oder Forderung oder Wunsch mitzulesen. Zwei Beispiele: Entweder ich empfinde, dass das Glück des Anderen an meiner Antwort hängt und ich die Verantwortung der Gefühle des anderen Menschen übernehme/übernehmen muss/sie mir aufgeholfen werden. Ein weiteres Beispiel: Eine gewisse Gier in den Gesichtszügen des anderen Menschen vermitteln mir Gefühle des Anspruchs und der Aufforderung so zu reagieren, wie es erwartet oder gar verlangt wird. Wir haben also, um es auf diese beiden Fälle zu formulieren, druntergemischte Gefühle von Wunsch und von Gier. Ich empfinde derart und meine Erfahrungen haben mich oft bereits bestätigt. Gleichzeitig kann ich nicht davon ausgehen, dass dies immer auch zutrifft, wenn ich es vermute, dessen bin ich mir meistens bewusst und die Vagheit des Themas verlangt diesen Zusatz.
Diese beschriebene Vermutung und Empfindung des Beigemischten verursachen mir tiefes Unbehagen. Den Menschen mit meinem Unbehagen zu konfrontieren ist schwierig, weil ich nicht wissen kann, ob der Mensch seine mitschwingenden Bedürfnisse in der Situation erkennt und wir auf einer Ebene darüber sprechen können. Außerdem falle ich in diesen Momenten oft in eine Rolle, die mich als empfangend, dankbar, klein und in der Machtebene mindestens eine tiefer empfinden lässt. Ich werde hierbei in jedem Fall regelmäßig aus meiner Mitte gerissen. Und wichtig anzufügen: ich bin hierbei kein Opfer. Ich kann ebenso Mechanismen an den Tag legen, die derartige Gefühle bei anderen auslösen. Auch hierbei werde ich durchrüttelt von tiefen Störempfindungen – auch wenn ich mein Verhalten dadurch oft nicht verändern kann.
Den spezifischen Moment den ich meine, ist also die unter diesen Momenten potentielle Macht oder Machtbeziehung, die mir nach den beiden Beispielen entweder die Macht über die Gefühle des anderen Menschen übergibt – mir dementsprechend für mein eigenes Gefühl zu viel Macht ermöglicht oder in manchen Momenten sogar empfunden aufzwingt – oder mich unter die Macht eines anderen stellt und mir ein Ausweichen erschwert, in Verbindung mit meiner Sozialisierung manchmal empfunden unmöglich macht. Ich wiederhole: beide Momente ergeben auf unterschiedlichen Ebenen intensive Störgefühle und werden begleitet von Verwirrung, Wut und Scham. Die Verhaltensmuster unserer Gesellschaft scheinen – so meine Beobachtungen und Verständnis – derartige Machtstrukturen und Abhängkeitsverhältnisse verinnerlicht zu haben.
Wie Menschen mit solchen Momenten umgehen und sich in der Welt formulieren und bewegen ist wohl so verschieden, wie es Individuen auf dem Planeten gibt. Es mag Ähnlichkeiten im Umgang geben, doch ist jeder Mensch mit seinen Farben geprägt und das vermeintlich „Gleiche“ gibt es hier nicht. So mein Verständnis.
Mein eigener Umgang ist jedenfalls recht brachial zu einem Ausweichen und Abwehren geworden. Versuche, den Rastern nicht zu entsprechen und mich in potentielle Situationen, in denen derartige Machtbeziehungen eintreten können, gar nicht erst hinein zu begeben sind nur zwei dieser Mechanismen. Ein für mich prägnantes Outcome war – und ist – das Aussparen von romantischem oder sexuellem Kontakt. Insbesondere in der Verbindung mit Kennenlern-Phasen, in denen das Potential sich eher zu verstellen ohnehin um einiges höher ist, als wenn die charakterlichen Eigenarten nach längerer Bekanntschaft und Freundschaft miteinander ausgehandelt, bekannt, akzeptiert und wertgeschätzt wurden und werden.
Dieser Text ist der Versuch meinen Umgang hiermit zu reflektieren. Ich will und kann nicht leugnen, vertraute Momente körperlichen und seelischen Kontakts zu vermissen. Bisher gehörten diese Störgefühle jedoch beinahe allgegenwärtig dazu und es scheint für mich nicht die Alternative zu geben, weiter nach diesen Mustern zu verfahren. Eine Lösung habe ich bislang nicht, aber allein die Möglichkeit die Situation und die Gefühle in Worten beschreiben zu können, sind für mich ein prägnanter Fortschritt. Wie gesagt – ich beiße schon sehr lange auf diesem Knoten herum, ohne das Gefühl im Konzept greifen zu können. Dadurch bringt mich diese Ausformulierung einer Lösung und einer Auf-Lösung der Situation näher.
Denn ich bin stolz und gerührt und glücklich schreiben zu können, dass ich weiß wer ich bin. Dass ich mich empfinden kann und meine Bedürfnisse erkennen kann. Nicht unbedingt immer „angemessen“ manövrieren aber doch weitestgehend reflektieren zu können. Ich weiß zu meinem derzeitigen Punkt ebenso, was ich will und was ich brauche um mich gut zu fühlen, um verhältnismäßig authentisch auf Menschen, Umstände und mich selbst reagieren zu können. Was ich dementsprechend auch weiß oder mir zumindest für mich wünsche, ist: dass ich keine Machtspiele brauche. Ob bewusste oder unbewusste (wobei ich letzteren gegenüber mehr Verständnis gegenüber aufbringen kann), um mich in der Welt zurechtzufinden oder meine Person von anderen unterscheiden zu können.
Ich will niemanden, der mir sagt was ich vermeintlich brauche oder meine vermeintlich unbeantworteten Wünsche und Bedürfnisse erfüllt. Und ich brauche niemanden, der sich an mir Aufbauscht oder sich durch die Verschmälerung meines Eigenen stärker und größer fühlen kann. Ich unterstütze gern und es ist mir eine Ehre zu inspirieren. Aber nicht ausgenutzt zu werden. Genauso wenig, wie ich ausnutzen will.
Sprich mit mir, denk mit mir und geh ein Stück mit mir, wenn du das möchtest. Aber mach mich nicht zu deinem Wunschobjekt. Mach mich nicht zu deinem Eigen und gib mir keine Verantwortung, die zu tragen deine eigene Aufgabe ist.
Interessanterweise erzeugt diese letzte Aussage ein offenes Ende. Denn ist es auch in meiner Verantwortung zu reagieren und Verantwortung zu übernehmen oder nicht. Sie Situation dementsprechend zu gestalten und mich zu formulieren. Und auch das, bedarf der weiteren Übung und Inspiration. Mit dem Ergebnis dieser Gedanken bin ich jedoch weitgehend erst einmal zufrieden. Außerdem finde ich den Titel spannend, der einen anderen Klang besitzt und einem anderen Konzept entspringt, als bisherige Titel.
Ein letzter Zusatz: Wünsche und Sehnsüchte sind Teil von Menschen und ich will sie nicht aus meinem Leben streichen. Sowieso nicht, weil sie mich in meinem Tun intensiv prägen. Aber im Anbetracht des Themas möchte ich sie insbesondere in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen nicht streichen müssen, nur um einen Umgang zu finden, der sich für mich gut anfühlt. Mein gegenwärtiges Ausweichen ist nach meinem Verständnis nur ein Zwischenstadium. Und ich werde einen dritten Weg finden.